Unter Triebziel ist im allgemeinsten Sinne zu verstehen, die Befriedigung, die Realisierung, die Erreichung, der Erhalt, das glückliche Ende eines Vorganges, der dem jeweiligen Zweck dient.
Dieser Vorgang (wieder im allgemeinsten Sinne), eine Handlung, im Materiellen die Anwendung einer Fertigkeit, der Einsatz bestimmter Mittel wird hier Triebmittel (Realisierungsmethode) genannt.
Die Triebmittel werden in der Dimensionierungspsychologie durch zwei Dimensionen mit jeweils zwei Polaritäten definiert.
Die zwei Dimensionen sind heteronom / autonom und konzentrisch / exzentrisch.[1]
Das bedeutet:
autonom = selbstbestimmt,
heteronom = fremdbestimmt
konzentrisch = auf sich und eigenes konzentriert,
exzentrisch = auf andere/anderes konzentriert.
Aus diesen zwei Dimensionen ergeben sich vier Triebmittel-Bereiche:
Heteronom-konzentrisch (fremdbestimmt - auf mich/meins konzentriert)
Autonom-konzentrisch (selbstbestimmt - auf mich/meins konzentriert)
Autonom-exzentrisch (selbstbestimmt - auf andere/anderes konzentriert)
Heteronom-exzentrisch (fremdbestimmt - auf andere/anderes konzentriert)
Diese vier Triebmittel-Bereiche enthalten im Kernbereich folgendes:
Meine Person/meins ist Gegenstand und was mit mir/meinem geschieht bestimmen andere.
Meine Person/meins ist Gegenstand und was mit mir/meinem geschieht bestimme ich.
Andere Personen/anderes ist
Gegenstand und ich bestimme was geschieht.
(dabei bin ich handelnd einbezogen)
Andere Personen/anderes ist
Gegenstand und andere bestimmen was geschieht.
(dabei bin ich handelnd einbezogen)
Diese vier Triebmittel-Bereiche korrespondieren mit den vier Kindheits-Entwicklungsphasen oral, anal, genital, urethral (Leistungsphase).
In der oralen Phase ist der Mensch ein Säugling und hat zunächst auf sich bezogene Empfindungen und was mit ihm geschieht bestimmen andere. (heteronom-konzentrisch)
Gleichzeitig entsteht im intentionalen Bereich die Fähigkeit sich etwas oder jemandem zuzuwenden (heteronom-konzentrisch/exzentrisch).
In der analen Phase lernt das Kind vor allem den Unterschied zwischen ich und du, sowie mein und dein. Dabei lautet das Prinzip: über mich und das was mir gehört, darüber bestimme ich (autonom-konzentrisch), du und das was dir gehört, darüber bestimmst du.
Oft genug kommt es vor, dass Eltern den Besitz des Kindes genauso in Beschlag nehmen, wie ihren eigenen Besitz und damit über alles bestimmen, was dem Kind gehört, einschließlich dem Kind selbst. In unserer Kultur ist diese Verfügungsgewalt gesetzlich verankert, es gibt jedoch Kulturen, wo den Kindern ein größerer Eigenraum zugestanden wird. [2]
Da das Kind in dieser Entwicklungsphase den Wunsch entwickelt selbst zu bestimmen, kollidiert es mit den Verfügungsansprüchen der Eltern.
In unserer Gesellschaft heißt das: Trotzphase
Wenn das Kind nicht das macht, was es soll oder etwas tut, was es nicht soll, dann nennt man das trotzig. (Aus der Sicht des Kindes könnte man das Verhalten der Eltern ebenfalls als trotzig ansehen[3]).
Im Normalfall wird die Frage, wer was will und was sein darf zwischen Eltern und Kind auf verbaler Ebene ausgetragen.
Aufgrund ihrer körperlichen Überlegenheit können Eltern natürlich auch auf Gewalt- oder Zwangsmaßnahmen zurückgreifen. Da die Kinder jedoch weder emotional noch körperlich in der Lage sind dagegen anzukommen, bleibt ihnen häufig nur noch ein vergeblicher Wutanfall (Trotzanfall).
In der genitalen Phase erlernt das Kind zielgerichtetes Herangehen und die Fähigkeit zur expansiven Mobilität, das heißt es kann jetzt schnell laufen, auch um die Wette laufen. Das Herangehen und das Hineinlaufen in die Welt ist exzentrisch und autonom bestimmt.
In der urethralen Phase, beziehungsweise Leistungsphase lernt das Kind Tätigkeiten auszuüben, die von anderen gewünscht werden. Insbesondere in der Schule übt das Kind Leistungen ein, die vom Lehrer bestimmt werden (heteronom exzentrisch)
Die grundlegenden Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die in den Kindheitsphasen erlernt werden, sind die Bausteine, die auch später im Erwachsenenleben immer wieder angewendet werden, so wie das 1 x 1 auch in jeder höheren Mathematik steckt, so finden sich die grundlegenden Bausteine auch beim Erwachsenen wieder.
In der oralen Phase (Säuglingsphase) entwickelt sich die Modalität des Bekommens (empfangen und nehmen, was gegeben wird.)[4]
Da ein Säugling nicht in der Lage ist komplexe Handlungen auszuführen, bleibt ihm im Wesentlichen nur das Warten.
Das Schreien eines hungrigen Säuglings ist noch nicht der bewusste Ausdruck eines Willens, sondern eine instinktive Reaktion auf sein Hungergefühl. Sein Schreien geschieht quasi automatisch und ist nicht das Produkt einer Willensbildung. Sein durch das Schreien ausgedrückte Gefühl, ist seine Bedürftigkeits-Empfindung und das einzige Triebmittel, was ihm nun bleibt, ist das Warten. (Warten bis jemand kommt und ihn versorgt.)
Die ungeheure Abhängigkeit aus der Kombination von Bedürftigkeits-Empfindung und Warten müssen, ist hier leicht verständlich. Viele erwachsene Menschen hassen es, irgendwo warten zu müssen auf jemand oder einen Umstand, den sie selbst nicht im Griff haben.
In der oralen Phase entsteht das
Basis-Triebziel
1: bekommen das Basis-Triebmittel: warten unter der Voraussetzung einer Bedürfnis-Empfindung. |
In der analen Phase entwickelt sich der Wunsch nach retentiver[5] Modalität (Festhalten, Kontrolle, Besitz und Steuerung), nach dem was jemand will.
Basis-Triebziel 2 : Willens-Realisierung das Basis-Triebmittel: verfügen, bestimmen, sagen (was man will) unter der Voraussetzung einer eigenen Willens-Vorstellung. (Ich weiß, was ich will.) |
In der infantil-genitalen (phallischen) Phase entwickelt sich neben allerersten sexuellen Interessen vor allem die kraftvolle Fortbewegung, das Machen, das Heranmachen[6], sowie ein Interesse am Wettkampf. (Wer ist schneller, stärker, besser?)
Basis-Triebziel 3 : Ziel-Erreichung Basis-Triebmittel: anstreben (zielgerichtete Aktivität) unter der Voraussetzung eines eigenen Zielwunsches |
In der Leistungs-Phase (urethrale Triebziele) geht es um Anerkennung. Wenn das Kind auf Wunsch der Mutter die Blase in das Töpfchen entleert, wenn das Kind auf Wunsch der Eltern bestimmte Dinge vollbringt, wenn eine schulische Leistung eine gute Zensur erbringt, dann bekommt das Kind Anerkennung[7].
Basis-Triebziel 4: Anerkennung Basis-Triebmittel: leisten (Leistung vollbringen) Unter der Voraussetzung, dass eine bestimmte Leistung von jemandem gewünscht wird |
In der oralen Phase entsteht etwas für die ganze Entwicklung des betreffenden Menschen grundlegend Wichtiges, die intentionalen Triebziele. Hierbei geht es um äußere Reize für den Säugling, die seine Aufmerksamkeit auf sich lenken, die dazu führen, dass er sich im allgemeinstem Sinne einer Sache zuwendet; es dreht sich um eine Modalität, die sich dann beim Erwachsenen zur Neugier entwickelt[8].
Basis-Triebziel 5: Konzentration
auf etwas Basis-Triebmittel: zuwenden (zum Reiz) Beim Erwachsenen auch: Basis-Triebziel 5: neue Information Basis-Triebmittel: (Informations-) suchen, Neugier Unter der Voraussetzung eines Reizes / Anlasses, der eine Zuwendung oder die Neugier auslöst. |
Zusammengefasst entsteht aus dem vorher Aufgeführten die folgende Standardmatrix aus dem Blickwinkel der grundlegend materiellen Tätigkeiten (im Gegensatz zu einer zwischenmenschlichen Standardmatrix z.B.).
heteron.-konzentr. | autonom-konzentrisch | autonom-exzentrisch | heteronom-exzentrisch | |
1
Oral |
warten |
|
|
|
2
Anal |
|
verfügen, bestimmen, |
|
|
3
Genital |
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|
anstreben |
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4
Urethral |
|
|
|
leisten |
5
Intentional |
zuwenden |
|
|
suchen, |
Aufgrund der Phasenentwicklung in der Kindheit entwickeln sich die Triebmittel wie folgt:
heteron.-konzentr. | autonom-konzentrisch | autonom-exzentrisch | heteronom-exzentrisch | |
Orale |
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Anale Basis-Triebziele |
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Genitale Basis-Triebziele |
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Urethrale Basis-Triebziele |
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Intentionale Basis-Triebziele |
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Das heißt, in der ersten Kindheitsphase entwickeln sich die
Triebmittel (Realisierungsmethoden), der mit 1 gekennzeichneten
Elemente.
In der zweiten Kindheitsphase entwickeln sich die Triebmittel (Realisierungsmethoden), der mit 2 gekennzeichneten Elemente usw.
Die intentionale Entwicklung beginnt entscheidend bereits in der frühesten oralen Phase und begleitet mitschreitend die Entwicklung der oralen Phase. (Der hier verwendete Aufbau der Sense-Machine setzt auf das Würfelmodell der strukturellen Funktionspsychologie[9] auf und erweitert es um die Triebmittel und die urethrale Phase.) Die Zeile 5 müsste eigentlich vor der Zeile 1 liegen, der hier verwendete Aufbau ist der Entstehungsgeschichte durch das Würfelmodell geschuldet.
Wie aus der Darstellung zu ersehen, kann mit jeder neuen Entwicklungsphase, das jeweilige neue Triebmittel nicht nur für das originäre Triebziel eingesetzt werden, sondern auch für die Triebziele vorangegangener Entwicklungsphasen.
Fertigkeiten (Triebmittel) der Phase 2 können also auch für das Triebziel 1 eingesetzt werden, Fertigkeiten der Phase 3 können auch für das Triebziel 1 und 2 eingesetzt werden und so weiter.
Diese Fertigkeiten sind insoweit abgewandelt, als sie dem anderen Triebziel angepasst sind:
Tätigkeits-Standardmatrix über alle fünf Basisbereiche
heteron.-konzentr. | autonom-konzentrisch | autonom-exzentrisch | heteronom-exzentrisch | |
1
Oral |
warten |
erbitten |
nehmen |
gegenseitig versorgen |
2
Anal |
erwarten |
verfügen, bestimmen, |
gestalten, bewerkstelligen |
eintauschen |
3
Genital |
unterbrechen |
bereitstellen, |
anstreben, |
(mit anderen) |
4
Urethral |
abwarten |
beraten, versprechen |
ausführen |
leisten |
5
Intentional |
zuwenden |
erklären, deklarieren |
ansprechen, herumfragen |
suchen, |
Die Gesamt-Standardmatrix umfasst das gesamte menschliche Verhalten, also einen riesigen Inhalt.
Durch die Spezialisierung auf einen bestimmten Blickwinkel (hier vorstehend grundlegende materielle Verhaltensweisen) verkleinert sich der Inhalt jedes Elementes auf die zum Blickwinkel passenden Aspekte (Kontext).
Jeder andere Blickwinkel erzeugt wieder andere Begriffe innerhalb der Elemente der Standardmatrix. Durch die Einteilung, Dimensionierung der Matrix bleibt das Verwandtschaftsverhältnis (Parentela) der Verhaltensweisen und Begriffe aber gleich. Immer gehen sie zurück auf die gleichen Basis-Triebbedürfnisse.
Aufteilung in: Teilaspekt-Matrix Blickwinkelbezogen Teilaspekt-Matrix
Und so weiter für C + D. Teilaspekt-Matrizen mit jeweils bestimmten Kontext enthalten insgesamt ebenfalls das gesamte menschliche Verhalten |
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Es gibt allein über 1000 Objekt-Standardmatrizen, die sich aus den vielen verschiedenen Kontexten ergeben, für die hier die 4 Buchstaben A, B, C, D nur symbolisch eingesetzt sind. (Objekt ist der Begriff aus der Grammatik Subjekt, Prädikat und Objekt.)
Diese Blickwinkel greifen jeweils einen Kontext auf und lassen die anderen beiseite. Jedes einzelne Element der Teilaspekt-Standardmatrix ist jedoch nach wie vor an gleicher Position, wie in der Gesamt-Standardmatrix. Sie ist damit Dimensionskongruent (Deckungsgleich) zur Gesamt-Standardmatrix. - Dies ist die Parentela -.
Die Teilaspekt-Standardmatrix ist der Normalfall einer Standardmatrix, die Gesamt-Standardmatrix dient nur zur Erklärung der Sachlage.
Dass die Gesamt-Standardmatrix, so entscheidend ist, liegt an der Entwicklung der Verhaltensweisen in der Kindheit. Synchron zu den Einteilungen der Dimensionierungspsychologie entwickeln sich die Fähigkeiten, die Verhaltensmöglichkeiten, die Realisierungsmethoden eines Menschen.
Die Kindheitsentwicklung ist deshalb so anschaulich für Verhaltensweisen, weil sich in jeder Kindheitsphase ein Verhaltensbereich entwickelt, der vorher noch nicht vorhanden war (mangels Fähigkeit). So dass das jeweilige Verhalten (des jeweiligen Basis-Triebes) wie durch ein Vergrößerungsglas singulär betrachtet werden kann.
Es gibt natürlich diverse individuelle Unterschiede. - Ausprägungen, Formungen, Förderungen in der Kindheit sind bei jedem einzelnen mehr oder weniger unterschiedlich, dies bedeutet jedoch nicht, dass sich die Dimensionierung ändert, es ändern sich damit nur die Möglichkeiten, die einzelnen durch die Dimensionierung präzisierten Fähigkeiten und Verhaltensweisen mehr oder weniger gut zu nutzen.
Die Natur gibt die Entwicklungsstufen vor und sie prägen die Menschen für ihr ganzes Leben. Dabei fügen sich neue Fähigkeiten z. B. technischer Art an alte archaische an.
Die Fähigkeiten und Möglichkeiten differenzieren sich aus, bleiben dabei jedoch im alten Raster. Auch mit modernster technischer Hilfe vollbrachte Dinge lassen sich mit den Kategorien der Dimensionierungspsychologie erfassen. Auch diese dienen der Befriedigung, der Realisierung, der Erreichung, der Anerkennung und der Glücks-Findung von Menschen.
[1] Siehe Lüscher-Test, S. 48
[2] Jean Liedloff: Auf der Suche nach dem verlorenen Glück
[3] Jesper Juul, Familientherapeut
[4] Erik Erikson, Kindheit und Gesellschaft S.70
[5] Harald Schultz-Hencke, Lehrbuch der analytischen Psychotherapie S.29
[6] Erikson, Kindheit und Gesellschaft S. 84
[7] Erikson, Kindheit und Gesellschaft S. 253
[8] Schultz-Hencke, Lehrbuch der analytischen Psychotherapie S. 25
[9] Lüscher-Test, S. 48